Koalitionsvorhaben im Arbeitsrecht

Ein Überblick zu den elementaren arbeitsrechtlichen Zielvorgaben des Koalitionsvertrages:

- Angepeilte neue Arbeitszeitregelung

Die bisher geltende tägliche Höchstarbeitszeit soll einem flexibleren Wochenmodell weichen. Unter Beachtung der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG, wäre dann die Möglichkeit zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von künftig 48 Stunden eröffnet. Bislang gilt eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden bis vorübergehend maximal zehn in Ausnahmefällen (§ 3 Arbeitszeitgesetz). Künftig könnte also z.B. dauerhaft eine regelmäßige 4-Tage-Woche bei einem Vollzeitjob und einer Arbeitsleistung von zehn Stunden vom Montag bis Donnerstag eingeführt werden. Konkretes soll im Dialog mit den Sozialpartnern interessengerecht vereinbart werden.

- Objektive, transparente Arbeitszeiterfassung

Der EuGH hatte bereits 2019 geurteilt, dass Arbeitgeber ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System zur Erfassung der täglich geleisteten Arbeitszeit einzuführen haben. Seither steht in Deutschland die gesetzliche Umsetzung aus, im Arbeitszeitgesetz ist bisher nur eine Dokumentationspflicht für Mehrarbeit verankert. Seither besteht Rechtsunsicherheit, der nun mit der obligatorischen Einführung einer elektronischen Erfassungspflicht begegnet werden soll. Für Kleinunternehmen ist eine Übergangsregelung vorgesehen. Ferner wurde die Möglichkeit von „Vertrauensarbeitszeitmodellen“ unter bestimmten Bedingungen avisiert.

- Mindestlohn

CDU/CSU sowie SPD haben sich auf einen gesetzlichen Mindestlohn von 15 € bis 2026 verständigt. Die unabhängige Mindestlohnkommission soll vor diesem Hintergrund die allgemeine Lohnentwicklung unter Ausrichtung ihrer Entscheidung an 60% des Bruttomediaentgelts von Vollzeitbeschäftigten (EU-Mindestlohnrichtlinie) im Auge behalten. Nach Angabe von Friedrich Merz liegt das Heft des Handelns letztlich also bei der Mindestlohnkommission, mit der Folge, dass die 15 € keineswegs bereits als verbindlich umzusetzen anzusehen wären.

- Tarifvertragliche Arbeitsentlohnung als Bedingung für öffentliche Aufträge des Bundes

Mit einem Tariftreuegesetz soll sichergestellt werden, dass öffentliche Aufträge des Bundes ab einem Auftragswert in Höhe von 50.000 € - bei Start-ups mit „innovativen Leistungen“ erst ab 100.000 € in den ersten vier Jahren ab Gründung - lediglich an Unternehmen erteilt werden, die tarifvertragliche Arbeitsbedingungen einhalten, das einschlägige Branchentarifniveau beachten. Auf die praktische Umsetzung und den Verwaltungsaufwand darf man gespannt sein.

- Steuerfreie Vergütung von Mehrarbeit

Abgeleistete Überstunden, die über die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Regelarbeitszeit von 34 oder (ohne Tarif) 40 Wochenstunden hinausgehen, sollen steuerfrei gestellt werden. Als Problem sehen nicht nur Gewerkschaften hier eine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten, die in diesen zeitlichen Bereich von relevanten Überstunden gar nicht vorstoßen können. Hier dürften bei einer Umsetzung Klagen geradezu vorprogrammiert sein.

- Bürokratieabbau und zunehmende Digitalisierung

Geplant ist vor dem Hintergrund des digitalen Zeitalters eine Reduzierung der bislang geltenden Schriftformerfordernisse, etwa bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen.
Das Statusfeststellungsverfahren (Klärung abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit) soll gestrafft und mit einer Genehmigungsfiktion versehen werden.
Es ist intendiert, eine „Work-and-Stay-Agentur“ einzurichten, um die Fachkräfteeinwanderung digital zu bündeln und zu beschleunigen.
Die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung soll erhalten bleiben, unter Ausschluss privater Online-Plattformen, um Missbrauch zu vermeiden.
Eine Digitalisierung soll auch die Betriebsratsarbeit flexibler gestalten. Die Möglichkeit zur Abhaltung von Online-Betriebsversammlungen und Online-Betriebsratssitzungen nebst Online-Wahlen steht auf der Agenda für eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes.

- Erleichterte Beschäftigung für Rentner

Freiwilliges, längeres Arbeiten soll sich mehr lohnen („Aktivrente“). Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters weiterarbeitet, bekäme sein Gehalt künftig bis zu 2.000 € im Monat steuerfrei. Ferner ist geplant, die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erleichtern, indem das Vorbeschäftigungsverbot aufgehoben und dadurch befristetes Weiterarbeiten ermöglicht wird. Ferner sollen Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner in der Grundsicherung im Alter verbessert werden.

- Startup-Gründung in 24 Stunden

Unter dem Terminus „Gründerschutzzone“ ist angedacht, notarielle Vorgänge zu vereinfachen und digitale Beurkundungsprozesse sowie den automatischen Datenaustausch zwischen Notariaten, Finanzämtern und Gewerbeämtern zu ermöglichen. Sämtliche Anträge und Behördenschritte sollen auf einer Plattform gebündelt werden, um eine Unternehmensgründung binnen 24 Stunden zu ermöglichen. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen will man dabei auf ein Minimum begrenzen.

- Inklusion

Die Arbeitsaufnahme soll für Menschen mit Behinderung verstärkt gefördert werden. Die „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA) sollen mit Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und der Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit verzahnt werden, Schwerbehindertenvertretungen sind demnach zu stärken, ein Interagieren beteiligter Fach- und Rechtskreise soll im Geiste einer starken Sozialpartnerschaft erhöht werden.

- Wie steht es um die „Sachgrundlose Befristung“ (§ 14 II TzBfG)?

Trotz anhaltender Kritik wird es weiterhin möglich sein, grundsätzlich einen Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zunächst zu befristen.

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